75 Jahre Zebrastreifen

und was bedeutet das für die Radfahrer?

Heute ist der Tag des Zebrastreifen1 und der wird 75 Jahre alt.
Abb.1; Tag des Zebrastreifens
Abb.2: Auch schon 50 Jahre alt. Der berühmteste Zebrastreifen überhaupt.
Schon bald nach der Erfindung des Automobils und den damit einhergehenden Veränderungen des Straßenverkehrs hat der Konflikt zwischen Fußgängern und Autofahren die Gemüter erhitzt. In einem Leserbrief an die Times aus dem Jahr 1911 schrieb ein erboster Bürger folgendes:„Könnten Sie etwas unternehmen, damit Fußgänger auf unseren öffentlichen Straßen wieder sicher sind? Es ist herzzerreißend, von den erschreckenden Todesfällen zu lesen. Wenn ein Fußgänger heute auch nur kurz zögert oder einen Fehler macht, ist seine Chance, einem schrecklichen Tod zu entrinnen, viel geringer als zu Zeiten, als die Fahrzeuge viel langsamer fuhren. Was den motorisierten Verkehr angeht, herrscht das Bestreben vor, erst im letzten Moment zu bremsen. Es ist ein Skandal, dass auf öffentlichen Wegen von den schwächsten Verkehrsteilnehmern die größte Aufmerksamkeit verlangt wird. Die Straßen sind für alle da, und zwangsläufig sollten die verletzlichsten Teilnehmer, eben die Fußgänger, die größte Aufmerksamkeit bekommen.“2
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die erste offizielle Erwähnung des Fußgängerüberweges in der heute bekannten Form stammt aus dem Genfer Übereinkommen zum Straßenverkehr von 19493. Hier wird das Verkehrsschild vorgestellt (Abb.3). Und damit ist der Fußgängerüberweg offiziell 75 Jahre alt. Es gibt auch andere plausible Zeitrechnungen. Die Bundesrepublik ist dem Genfer Abkommen, in dem neben Verkehrszeichen vieles andere wie der internationale Führerschein, Länderkennzeichen und Ausstattung von Fahrzeugen (Bremsen, weißes Licht nach vorne und rotes Licht nach hinten oder motorisierte Scheibenwischer an der Windschutzscheibe) geregelt werden am 21.8.1954 beigetreten4.
Abb.3: Zeichen I,17 aus dem Genfer Abkommen über den Straßenverkehr 1949

In Deutschland wurden die ersten Fußgängerüberwege 1952 in München markiert. Die Einführung von Fußgängerüberwegen in die Straßenverkehrsordnung (StVO) kam in der Bundesrepublik Deutschland am 1. September 1953 []. Im Paragraf 26 zeigt das Bild Bild 4b erstmals zwei Ausführungen:
    - A den an seinen beiden Rändern gestrichelten Fußgängerüberweg (Ausführung A) und 
   - B den Zebrastreifen (Ausführung B) als Warnzeichen. (Abb.4)

Allerdings hieß es offiziell niemals Zebrastreifen sondern im Beamtendeutsch Dickstrichkette, später Fußgängerüberweg.
Abb.4: Markierung von Fußgängerüberwegen laut StVO 1953


Übrigens wurden mit der StVO-Novelle 1953 auch die Geschwindigkeitsbegrenzungen in Ortschaften abgeschafft. Jeder durfte so schnell fahren wie er wollte. Allerdings hielten viele Gemeinden durch eigene Verordnungen und Beschilderung an alten Beschränkungen fest oder bestimmten sie neu. In Hannover werden 40 km erlaubt, in Frankfurt, Kassel und Koblenz auch. In Bremerhaven sollten 50 km erlaubt sein, in der Münchener Innenstadt 25 km.
In der Novelle zur StVO 1957 wurde dann überall 50km/h innerorts eingeführt.

Und wie kam es zum dem Namen Zebrastreifen?


Nachdem die Autofahrer die neue Dickstrichkette nur sehr schleppend im Straßenverkehr zur Kenntnis genommen hatten, startet einem WDR-Beitrag nach das Hamburger Abendblatt am 24. April 1954 die „Aktion Zebra“. Eine Unterstützung der „Verkehrserziehungswoche“ der Hamburger Polizei“. Hintergrund war, dass Autofahrer, die sich vorschriftsmäßig am Fußgängerüberweg verhielten, für ihre Windschutzscheibe eine Plakette in Form eines Zebras bekamen5. Zebra stand dabei für eine Abkürzung: Zeichen Eines Besonders Rücksichtsvollen Autofahrers”Leider waren auch nach der Aktion Zebra die Zebrastreifen noch lange nicht wirklich sicher für Fußgänger. 1955 starben laut Angaben allein in Nordrhein-Westfalen fast 4.000 Menschen auf den Übergängen. Autofahrer mussten zu diesem Zeitpunkt laut Gesetz noch nicht anhalten5.Andere schöne, lustige und lesenswerte Geschichten wie es zum Namen Zebrastreifen kam, darf man getrost in das Land der Legenden verweisen6.
Die Regeln an den Fußgängerübergängen alias Dickstrichketten alias Zebrastreifen waren so verwirrend wie die Bilder von Zebras, auf denen man diese kaum auseinanderhalten kann (Abb.4).
Abb.4: Zebras an einer Wasserstelle
Die Fußgänger hatten 1954 an den Überwegen nicht grundsätzlich Vorrang. Nur, wenn sie schon auf der Fahrbahn waren (!), mussten die Autos anhalten. Wegen der zahlreichen Unfälle an den Fußgängerüberwegen kam 1956 die nächste Änderung: der Fußgängerüberweg mit Blinkleuchten (Abb.5). Aber das bedeutete immer noch keinen allgemeinen Vorrang für Fußgänger, sondern nur dann, wenn die Leuchten auch blinkten.
Abb.5: Verkehrszeichen Fußgängerüberweg nach der StVO 1954
Diese Markierung wurde 1964 wieder abgeschafft, da die Blinkleuchten zu wartungsaufwendig waren. Aber mit der Novelle der StVO 1964 kam der Vorrang für Fußgänger auf dem Zebrastreifen. Der Vorrang gilt gegenüber dem Sraßenverkehr. Schienenfahrzeuge wie Straßenbahnen haben an Fußgängerüberwegen weiterhin Vorfahrt. Die dazugehörige Beschilderung ist auch mit der Zeit gegangen. (Abb.6-10.)
Abb.6:Verkehrszeichen 1937
Abb.7:Verkehrszeichen 1953
Abb.8:Verkehrszeichen 1970
Abb.9:Verkehrszeichen 1992
Abb.10:Verkehrszeichen 1992




Und die Straßenmarkierung ist jetzt immer die “Dickstrichkette” (Abb.10)


Abb.11 VZ 293 Fußgängerüberweg

Heute gehören zum Fußgängerüberweg


   - 0,5m breite weiße Streifen mit 0,5 m Zwischenraum

    - eine Mindestlänge der Streifen 3 von Metern

   - das Verkehrszeichen 350

    - das Halteverbot 5m vor und nach dem Übergang

   - eine Beleuchtung in der Dunkelheit













(Wegen der Beleuchtungspflicht in der Dunkelheit konnte in der Coronazeit in Neumarkt die Straßenbeleuchtung in Straßen mit Zebrastreifen nicht abgeschaltet werden.)



Abb.12a: Vollständig beschilderter Fußgängerüberweg bei Tag
Abb.12b: Vollständig beschilderter Fußgängerüberweg bei  Nacht



Soweit ist alles klar.

Aber was gilt für die Radfahrer?Haben die am Fußgängerüberweg Wartepflicht, wenn sie die Fahrbahn queren wollen? Dürfen sie überhaupt darüber fahren? Und was gilt an Kreuzungen, wo die Querungsstellen für Fußgänger ohne das Verkehrszeichen 350 markiert werden?Dazu aus dem § 26(1) der aktuellen Straßenverkehrsordnung:

„Rad-Fahrende haben bei der Benutzung von Fußgängerüberwegen nicht die verkehrsrechtliche Sonderstellung, die zu Fuß Gehende dort haben. An Fußgängerüberwegen muss ihnen also nicht stets eine Querung ermöglicht werden, denn die Pflicht zur Ermöglichung des Überquerens der Fahrbahn über den Fußgängerüberweg trifft Fahrzeuge nur gegenüber zu Fuß Gehenden und Fahrenden von Krankenfahrstühlen oder Rollstühlen.“
Allerdings ist es auch nicht verboten, mit dem Fahrrad über einen Fußgängerüberweg zu fahren. Der Radfahrer hat allerdings keinen Vorrang! Am einfachsten versteht man die Regeln, wenn man sich als Radfahrer beim Überqueren der Strasse so verhält, als wenn gar kein Fußgängerüberweg da wäre. An Kreuzungen mit Lichtsignalanlagen (Ampeln) werden für die Fußgänger Furten auf der Straße markiert, das ist etwas anderes als ein Zebrastreifen (Abb.13). Für die Radfahrer gilt, das er mit dem Kraftverkehr fährt, es sei denn es gibt Radwege und eigene Furten, wie zum Beispiel in Neumarkt am unteren Tor oder an der Lammsbräukreuzung.
Abb.13 Bild der Lammsbräukreuzung


Experimente, den Fußgängerüberweg noch mehr hervorzuheben, gibt es auch. Der 3D Zebrastreifen hat sich bisher nicht durchgesetzt und das hat auch gute Gründe7. Interessant ist die Idee trotzdem. Videos dazu unter 8.
Abb.: 14 Ein sogenannter 3D Zebrastreifen
Wünschenswert wäre es, wenn in Deutschland der Vorrang der Fußgänger am Fußgängerüberweg genauso respektiert würde wie in unseren Nachbarländern. Und wünschenswert wäre es auch, wenn Fußgänger nicht am Zebrastreifen stehen, obwohl sie gar nicht über die Straße wollen. Aber vergleicht man die Situation mit der Zeit von 1911 oder auch 1948, so haben sich doch deutliche Besserungen zur Sicherheit der Fußgänger durchgesetzt.Literatur:
  1. https://dsgs.de/tag-des-zebrastreifens.html
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fg%C3%A4nger%C3%BCbergang
  3. First Convention  on Road Traffic, verabschiedet auf der United Nations Conference on Road and Traffic Transport, Genf 23.8.- 19.9.1949
  4. Bundesgesetzblatt vom 1. September 1954
  5. zur Aktion Zebra: https://www.echo24.de/leben/verbraucher/zebrastreifen-streifen-zebra-tier-aktion-1954-plakette-verkehrszeichen-autofahrer-abkuehrzung-91634117.html
  6. eine schöne Legende über die Dickstrichkette: https://www.fr.de/panorama/danke-liebe-dickstrichkette-11285717.html
  7. https://www.rsa-online.com/18/3D-Fussgaengerueberweg/3D-Fussgaengerueberweg.htm
  8. Videos zum 3D Zebrastreifen:   https://www.youtube.com/watch?v=eMbcd7yRqCA und  https://www.youtube.com/@cover2750

Bildquellen: Abb.1: Deutsche Gesellschaft für Straßenmarkierung
Abb. 3, 4, 6-12: StVO, verschiedene Versionen
Abb.12a und b: StVO2go ( https://www.stvo2go.de/fussgangeruberweg-ausstattung/ )
1. September 2024



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