Radverkehrspolitik in Bayern - 
Radentscheid und Radgesetz



Der Radentscheid in Bayern ist gescheitert

Anfang 2022 wurde das Bündnis „Radentscheid Bayern“ gegründet, getragen von ADFC und VCD Landesverband Bayern sowie den elf bayerischen kommunalen Radentscheiden. Als Bündnispartner hatten sich der Bund Naturschutz (BN, bayerischer Landesverband des BUND) und die bayerischen Landesverbände fünf politischer Parteien angeschlossen.  Zusätzlich gab es zahlreiche unterstützende Organisationen und Förderer1.
Abb.1: Logo des Radentscheid Bayern
Abb.2: Sternfahrt zum Radentscheid Bayern
Von Juni 2022 an wurden über 100 000 Unterschriften für ein neues Radgesetz gesammelt und damit die erforderliche Stimmenanzahl für ein Volksbegehren (25000) weit übertroffen2. Der Weg vom Volksbegehren zum Volksentscheid ist aber gescheitert.
Abb.3: Der Weg zum Volksentscheid

Abb.4: Antrag zum Volksbegehren
Für den Antrag zu einem Volksbegehren gehört der Gesetzentwurf3, eine ausführliche Begründung und mindestens 25000 Unterschriften im Original von Stimmberechtigten. 

Nach dem Landeswahlgesetz obliegt es dann dem Innenministerium in München, die Prüfung der Zulässigkeit des Volksbegehrens durchzuführen. Es besteht keine Möglichkeit, erst die Zulässigkeit durch das Innenministerium prüfen zu lassen und dann die Unterschriften zu sammeln. So hat das Innenministerium des Gesetzestext des Volksbegehren dem bayrischen Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt. Dieser hat das Volksbegehren nicht zugelassen, weil Teile des vorgeschlagenen Gesetzes nicht in die Zuständigkeit des Freistaates Bayern fielen und somit der gesamte  vorgelegte Gesetzentwurf abgelehnt wurde. Die Enttäuschung bei allen Beteiligten des Radentscheides war groß, da man den Gesetztestext natürlich auch vorher juristisch geprüft und für zulassungsfähig beurteilt hatte.

Ich bin kein Jurist. Gesetze im Freistaat Bayern unterliegen natürlich der hierarchischen Gesetzgebung in der förderalen Bundesrepublik. Und was auf Bundesebene gilt, kann in Bayern nicht geändert werden. Dazu gehören auch Regelungen nach dem Straßenverkehrsgesetz oder der Straßenverkehrsordnung. Über diese Regelung ist der Radentscheid gescheitert. Außerdem darf ein Volksbegehren keine konkreten Finanzmittel beanspruchen, da es die Aufgabe des Bayerischen Landtag ist, über den Haushalt des Freistaates zu entscheiden.
Die bayerische Staatsregierung hat jedoch auf das Anliegen des Radentscheids Bayern reagiert und ein bis dahin abgelehntes Radverkehrsgesetz in Bayern auf den Weg gebracht:



Das Bayerische Radverkehrsgesetz - ein Gesetz für das nächste Jahrhundert?


Daher gibt es  in Bayern gibt es jetzt das Gesetz zur Stärkung des Radverkehrs in Bayern (Bayerisches Radgesetz – BayRadG)4, das die Landesregierung nach jahrelanger Inaktivität aufgrund des Radentscheids auf den Weg gebracht hat. Die Ergebnisse zugunsten des Radverkehrs bleiben leider weit hinter den Erwartungen und den Forderungen des Radentscheid Bayern zurück.

Es sind zwei Anliegen, die im Bayerischen Radgesetz wichtig sind: Das Radnetz Bayern und das 1€-Ticket. 

Gesetz zur Stärkung des Radverkehrs in Bayern
(Bayerisches Radgesetz – BayRadG)
Vom 24. Juli 2023

   Teil 1 Radinfrastruktur:

       Art. 1 Radnetz Bayern
       Art. 2 Ausbau Radinfrastruktur
       Art. 3 Beschilderung
       Art. 4 Zentralstelle Radverkehr
       Art. 5 Nachhaltige Flächennutzung
       Art. 6 Sonderbaulast für Radschnellverbindungen
       Art. 7 Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr

   Teil 2 Sicherheit im Radverkehr, Radallianz Bayern:

       Art. 8 Verkehrssicherheitsprogramm
Art. 9 Schulische Verkehrserziehung
Art. 10 Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs
Art. 11 Fahrradstraßen
Art. 12 Radallianz Bayern

Teil 3 Schlussvorschriften:

Art. 13 Finanzierung
Art. 13a Änderung weiterer Rechtsvorschriften
Art. 14 Inkrafttreten; Außerkrafttreten


Abb.5: Informationsblatt des bayerischen Verkehrsministeriums zum Radverkehrsnetz 

1.  Radnetz Bayern in 140 Jahren

Artikel 1 BayRadG besagt, dass der Freistaat das Radnetz Bayern ausbauen soll. Es enthält zum einen das Alltagsradnetz (Radverkehrsnetz Bayern) und zum anderen das Freizeitnetz (Bayernnetz für Radler), mit Strecken, die Verbindungen zwischen den Gemeinden und touristischen Zielen bilden sollen. Für Radwege innerhalb einer Kommune ist die Landesregierung nicht zuständig. Bisher gibt es laut Informationen der Staatsregierung 9000 km Wege im Radnetz Bayern5. Der erste Netzentwurf für das Radnetz enthält insgesamt 45 000 km Wege6. Somit besteht ein Ausbaubedarf für etwa 30000 - 35 000 km. 


Artikel 2  BayRadG sagt, dass bis zum Jahr 2030 1500 km neue Radwege gebaut werden sollen. 
Das sind etwa 90 Meter Radweg pro Kommune in den nächsten 7 Jahren, wie jemand ausgerechnet hat. Und bei gleicher Ausbaugeschwindigkeit bis ins nächste Jahrhundert (!) wäre das Radnetz Bayern in 140 Jahren fertig (30000 km :1500km/Jahr x 7= 140 Jahre)[]. 

Denkt man zurück, was vor 140 Jahren war, gelangt man zum Jahr 1893. Bill Cody (Buffalo Bill) hatte seinen ersten Auftritt. Otto von Bismarck war noch Reichskanzler und gründete mit der Pflichtkrankenversicherung die deutsche Sozialgesetzgebung. Beim Ausbruch des Krakatau starben über 35 000 Menschen in Indonesien. Der Dieselmotor war noch nicht erfunden. 

Also bleiben wir geduldig und freuen uns darauf, dass unsere Urururenkel vielleicht ein fertiges Radnetz Bayern vorfinden. Aber fährt in 140 Jahren noch jemand Rad? Für eine dem Klimawandel gerecht werdende Verkehrswende ist dieser Ausbauplan zu langsam.



2. Die 1€ Fahrradfahrkarte für Bayern BaSTi(R)



In Artikel 7 BayRadG, wird  das 1€-Fahrradticket ( Abb. 7) für den gesamten Schienenpersonennahverkehr in Bayern angekündigt. Leider ist die Ausgestaltung so geworden, dass kaum jemand das 1€ Ticket nutzen kann. Offiziell heißt es BaSTi(R): Bayerisches Schienengebundener Nahverkehr-Ticket (Rad). Informationen der Staatsregierung loben das bayernweit gültige Angebot in den höchsten Tönen. Aber die Realität sieht wegen vieler Einschränkungen leider anders aus.
Hierzu Artikel 7 Absatz 1 und 2 aus dem BayRadG:
Art. 7 Fahrradmitnahme im Schienenpersonennahverkehr

(1) Als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr schafft der Freistaat Bayern durch Abschluss öffentlicher Dienstleistungsaufträge oder durch Erlass allgemeiner Vorschriften gemäß Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ein Ticketangebot, das neben einer für die jeweilige Person geltenden gültigen Fahrkarte für ein zusätzliches Entgelt von einem Euro je Fahrrad und Fahrt die Mitnahme eines Fahrrads ermöglicht.

(2) Das in Abs. 1 genannte Ticketangebot gilt im Schienenpersonennahverkehr in ganz Bayern einschließlich der Verkehrsverbünde


Die Allgemeinverfügung des bayerischen Verkehrsministeriums (Abb. 6)7 vom Dezember 2023 enthält die Anlage Tarifbestimmungen zum BaSTi(R), die erhebliche Einschränkungen bezüglich der Gültigkeit des BaSTi(R) macht. Es gibt Einschränkungen der Geltungsdauer (Abb. 8), auf bestimmten Strecken (Abb. 9) und des Geltungsbereichs (Abb. 10).
 

Abb.6: Allgemeinverfügung des bayerischen Verkehrsministeriums

Abb.7: 1 €-Ticket alias BaSTi(R)


Das 1 Euro-Ticket ist ungültig zu folgenden Uhrzeiten:

 
 - Montags bis Freitags von 3 Uhr bis 9 Uhr

im Sommer zusätzlich

 - am Wochenende ( freitags 12 Uhr bis Montags 3 Uhr)
   
 - an allen Feiertagen

Fazit:

Von 168 Stunden in der Woche gilt das BaSTi(R) nur für 75 Stunden im Sommer und 126 Stunden im Winter. Die wichtigen Zeiten für Pendler und Wochenendausflügler sind ausgenommen.
Abb. 8 Wochenplan mit allen stunden, in denen das BaSTi nicht gilt.




Das 1 Euro-Ticket ist ungültig in folgenden Zugverbindungen ( rote Streckenlinien):U
RE 1 - Regionalexpress München-Nürnberg

RE 5 - München-Rosenheim-Salzburg

RB 54 - München-Rosenheim-Kufstein

RB 55 München-Holzkirchen-Bayrischzell

RB 56 München-Holzkirchen-Lenggries

RB 57 München-Holzkirchen-Tegernsee

RE 2 München-Hof

RE 25 München-Furth im Wald

Memingen- Lindau Insel
Ab.9: Die Strecken, auf denen das BaSTi(R) nicht gilt sind rot markiert.


Das 1 Euro-Ticket ist ungültig innerhalb aller bayerischen Verkehrsverbünde: 
Liste der Bayerischen Verkehrsverbünde:

AVV Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund

VAB Verkehrsgemeinschaft am Bayer. Untermain

VLC Verkehrsgemeinschaft Landkreis Cham

DING Donau - Iller - Nahverkehrsverband

INVG Ingolstädter Verkehrsgemeinschaft

VVM Verkehrsverbund Mainfranken

MVV Münchner Tarif- und Verkehrsverbund

VGN Verkehrsverbund Großraum Nürnberg

VLP Verkehrsgemeinschaft Landkreis Passau

RVV Regensburger Verkehrsverbund

VGRI Verkehrsgemeinschaft Rottal - Inn

bodo Bodensee - Oberschwaben . Verkehrsverbund




Abb.10: Flächenmäßige Ausdehnung aller Verkehrsverbünde, innerhalb deren das BaSTi(R) nicht gilt.



Diese zahlreichen Einschränkungen führen dazu, dass das 1€-Ticket meistens gar nicht genutzt werden kann. Pressekommentare reichen von Mirakel bis Realsatire (Abb. 11). Da der Bahnhof Neumarkt zu den Verkehrsverbünden VGN und RVV gehört, kann man weder nach Regensburg oder  Straubing, noch über Nürnberg nach Hof, Bayreuth oder Bamberg fahren. Auch nach München  mit dem RE 1 über Nürnberg oder dem Regionalexpress RE 2 über Regensburg kann das 1€-Ticket nicht genutzt werden. Auch sind fast alle Strecken ins Voralpenland vom 1€-Ticket ausgenommen. 

Abb.11: Kommentare und Stimmen zum BaSTi(R)
Ich bleibe optimistisch und sehe das BaSTi(R) als einen Einstieg in eine bessere Möglichkeit, mit dem Fahrrad und der Bahn mobil zu werden. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft hat versprochen, dass ab Sommer 2024 das BaSTi(R) auch in den Verkehrsverbünden gelten soll, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Das wäre dann ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Literatur
  1. Radentscheid Bayern Teilnehmer
  2. https://www.br.de/nachrichten/bayern/radentscheid-bayern-mit-100-000-unterschriften-ueber-erste-huerde,TNLsLzB
  3. Links zum Gesetzentwurf des Radentscheid:  https://radentscheid-bayern.de/haeufige-fragen/der-vollstaendige-text-fuer-das-radgesetz-bayern
  4. BayRadG Volltext unter  https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayRadG
  5.  https://www.radlland-bayern.de/bfr/ , eine Website der Staatsregierug Bayern
  6. https://www.bayern.de/bayern-schafft-verkehrsnetz-fuer-alltagsradler/
  7. Allgemeinverfügung (Allgemeine Vorschrift im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/20071) des Freistaates Bayern zur kostengünstigen Mitnahme von Fahrrädern mit dem Bayerischen SPNV-Ticket Rad – BaSTi(R) als Höchsttarif im Schienenpersonennahverkehr im Freistaat, BayMBl. 2023 Nr. 591 
  8. https://beg.bahnland-bayern.de/de/pressemitteilungen/Neues-Fahrradticket-fuer-einen-Euro-quer-durch-Bayern
BildquellenAbb 1 und 2 ADFC Bayern
Abb 3 https://www.innenministerium.bayern.de/suv/wahlen/volk/index.php
Abb 4 ADFC Bayern

 


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