Bürgerbefragung zum neuen Stadtentwicklungskonzept
Quo vadis Neumarkt – ISEK 2023 Bürgerbefragung
Bis zum 6. Juni 2023 durfte jeder an der Online-Bürgerbefragung der
Stadt Neumarkt teilnehmen, die anlässlich der geplanten Aktualisierung
des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzeptes
(ISEK) durchgeführt wurde. Dieses Konzept soll das ISEK aus dem Jahr
2012 ablösen. Neue Aspekte der Stadtplanung sollen hier bedacht werden
und daraus einzelne Massnahmen entwickelt werden, die Neumarkt in der
Zukunft besser machen sollen.
Schaut man in das jetzt 11 Jahre alte ISEK (Abb.1) wird schnell klar,
das zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine große Lücke klafft1.
Manches wurde geschafft: Neugestaltung des Stadtparks,
Neugestaltung des Weißenfeldplatzes, Neubau der Hochschule sind
Beispiele dafür.Abb. 1: Deckblatt des ISEK 2012
An anderer Stelle ist das Ergebnis jedoch enttäuschend:
Die
gewünschten Verbesserungen für eine klimafreundlichere Stadt mit
besseren Wegen für Fußgänger und Radfahrer oder eine Verbesserung des
öffentlichen Personennahverkehrs lassen auf sich warten. Die neugebauten
Radwege und Kreuzungen erfüllen für alle, die nicht mit dem eigenen
Auto unterwegs sind nur die Minimalanforderungen. Nirgendwo gibt es in
Neumarkt Radwege und Kreuzungen, die für Radfahrer angenehm und mit
einen geringen Stresslevel zu befahren sind2. Kein einladendes Radverkehrsnetz.
Abb.
2 Der Stresslevel (LTS = Level of Trafficstress) beim Radfahren wird
auch durch die Infrastruktur beeinflußt. Von geringen Stresslevel (LTS
1, Radweg ohne Kontakt zu motorisiertem Verkehr, geeignet für alle
Radfahrer von 8-80 Jahren) bis zum höchstem Stresslevel LTS 4 (Radfahren
im Mischverkehr auf mindestens zweispuriger Fahrbahn) nimmt die Zahl der
potenziellen Nutzer ab. Einladende Radverkehrsanlagen sollt höchsten
LTS 2 haben, damit möglichst alle Nutzergruppen die Radwege nutzen.
Die Neugestaltung der Ufers des Ludwig-Donau-Main-Kanals, wie zuletzt
noch einmal von der SPD Fraktion im Stadtrat gefordert wurde erneut
abgelehnt3.(Abb. 3 und 4)
Abb. 3 und 4: Beispiele aus dem Vorschlag der SPD-Stadtratsfraktion zur Aufwertung des Ludwig-Donau-Main-Kanals
Die Neugestaltung der Innenstadt wird nach dem Architektenwettbewerb von 2014 nicht mehr weiterverfolgt. In
der Innenstadt hat sich in den letzten 10 Jahren nichts für Fußgänger
oder Radfahrer verbessert, am oberen Tor in den letzten 25 Jahren nicht4:
kein barrierefreies Kopfsteinpflaster, schlechte Aufenthaltsqualität,
keine akzeptablen Abstellanlagen für Fahrräder oder Abstellplätze für
Lastenräder, keine Priorisierung des Modalsplit zugunsten der
umweltfreundlichen Verkehrsmittel. (Abb.5)Abb.5 : Typische Verkehrsituation in der Einkaufsstraße Unterer Markt
Und so wundert es mich nicht, wenn genau diese Probleme in der
ISEK-Onlineumfrage wieder auftauchen. Leider sind bei knapp 40000
Einwohnern nur 45 Vorschläge eingegangen. Davon fordern aber die meisten
(14 Anregungen) bessere Radwege und Abstellplätze in der Innenstadt und
an den Ausfallstraßen. Auf den Plätzen 2 und 3 liegen die Forderungen
nach einem besseren ÖPNV und besseren Wegen für Fußgänger insbesondere
auch in der Innenstadt. (Abb.6)Abb.6.: Übersichtskarte aus der Umfragewebsite zum ISEK 2023
Und keiner fordert breitere Straßen oder mehr Parkplätze!
Das
zeigt doch, dass den Bürgern der Stadt Neumarkt eine lebenswerte Stadt
mit weniger motorisiertem Verkehr und anderen Möglichkeiten der
Mobilität sehr am Herzen liegt. Leider ist in der aktuellen
Stadtentwicklung davon nichts zu spüren. Die Erweiterung der Tiefgarage
am Residenzplatz, Neubau der „Obikreuzung“ mit Priorisierung des
Kraftverkehrs und der Ausbau der B299 sind die aktuellen großen Vorhaben
der Stadt Neumarkt, auch wenn diese nicht mehr aktuellen Richtlinien
gemäß geplant werden .Von der Neugestaltung der Innenstadt ist nicht
mehr die Rede. Die schönen Pläne aus dem Jahr 2014 mit dem ersten Preis
für das Landschaftsarchitekturbüro Joma enthielten schon Vorschläge, die
heute immer noch aktuell sind (Abb.7):Abb. 7: der Untere Markt im Konzept des JOMA Entwurfs
Zitat aus den Wettbewerbsunterlagen:
Zwischen Rathausplatz und
Unterem Tor erstreckt sich das Kernstück der erweiterten Fußgängerzone.
Der Untere Markt wird zukünftig vom privaten KFZ-Verkehr befreit und so
Teil der Fußgängerzone. Großzügige Aufenthaltsbereiche, eine
einheitliche und funktionale Möblierung und die Marktnutzung prägen
diesen Stadtraum5. (Abb. 8)Abb 8: die Fußgängerzone im Konzept des Joma Entwurfes
Verringerung des KFZ-Verkehrs am unteren Markt, Barrierefreiheit,
mehr Grün und weniger Stellplätze. Prompt kamen Proteste aus der
Richtung des Einzelhandels, aber auch Alternativvorschläge wie zum
Beispiel eine Tiefgarage unter dem unteren Markt6.
Mindestens fast 100 000 Euro hat der Wettbewerb gekostet, ohne dass auch
nur einziger Aspekt verwirklicht wurde. Und so hat sich hier im Kern
nichts geändert . Die Durchfahrt durch die Fußgängerzone am Rathaus
sieht immer noch wie eine Straße aus, wird auch so genutzt und lädt
nicht zum Verweilen ein. Eigentlich sollte in einer Fußgängerzone der
Bodenbelag so ausgestaltet sein, dass keine fahrbahnähnlichen Muster
mehr auftauchen, die eine Fahrbahn suggerieren, wo keine ist. Abb. 9: Typische Situation in der Neumarkter Fußgängerzone
Mal sehen, was die Stadt Neumarkt diesmal ins integrierte
Stadtentwicklungskonzept schreiben wird. Nur wenn der politische Wille
der Kommunalpolitik und der Stadtverwaltung in Richtung Verbesserung
geht, wird aus den schönen Worten auch Schönes werden.
Bildnachweis:
Abb. 1 : Integriertes Stadtentwicklungskonzept Neumarkt in der Oberpfalz 2012, Quelle https://www.neumarkt.de/media/1753/integriertes_staedtebauliches_entwicklungskonzept.pdf
Abb.2 Thiemo Graf, Handbuch: Radverkehr in der Kommune, 2020
Abb. 3 und 4: Aufwertung des Aufenthaltsraumesentlang des Alten
Kanals, Präsentation zum Spdantrag in der Stadtratssitzung am 27. April
2023 https://www.neumarkt.sitzung-online.de/public/vo020?4–anlagenHeaderPanel-attachmentsList-1-attachment-link&VOLFDNR=1000172&refresh=false&TOLFDNR=1000365
Abb. 6: Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Projektes
„Fortschreibung ISEK Neumarkt 2024“ in Kooperation mit PLANWERK
Stadtentwicklung, ÜbersichtskarteAbb. 7 und 8: JOMA Landschaftsarchitektur Um- und Neugestaltung der Innenstadt in Neumarkt i. d. OPf. 2012
Literatur:- ISEK 2012, wie Abb.1
- Thiemo Graf, Handbuch: Radverkehr in der Kommune, 2020
- Stadtratsitzung vom 27.4.2023 https://www.neumarkt.sitzung-online.de/public/wicket/resource/org.apache.wicket.Application/doc1075072.pdf
- Zeitungsartikel Neumarkter Tagblatt vom 24. Januar 2022, Seite 22
- https://jomalandschaft.de/wettbewerbe/2014/um-und-neugestaltung-der-innenstadt-in-neumarkt-i-d-opf/
(Link leider nicht mehr abrufbar)
- https://www.nordbayern.de/region/neumarkt/wettbewerb-fur-attraktivere-innenstadt-in-neumarkt-1.2823310
9. Juli 2023