Ein Fahrradparkhaus in Neumarkt?
„… dass das Fehlen gesicherter Abstellanlagen und von Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstahl sowie der Mangel an gesonderten Radwegen als die beiden Haupthindernisse gelten, die der Anziehung neuer Nutzerinnen und Nutzer und der Erschließung des vollen Potenzials des Radverkehrs in Städten im Wege stehen;…“
Das beste Beispiel dafür ist der Vorplatz des Bahnhofs in Neumarkt. Aber auch im Verlauf der Bahnhofstraße und in der Innenstadt fehlen moderne, sichere und attraktive Abstellmöglichkeiten. Die sind mindestens genauso wichtig wie Trinkwasserbrunnen und Blumenkübel, wenn man die Innenstadt schön gestalten will. Nirgendwo gibt es Fahrradständer, die auch nur im geringsten den DIN-Anforderungen oder der technischen Richtlinie TR6102 entsprechen. Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Und so werden die Fahrräder irgendwo abgestellt. „Wild Parken“ wird das manchmal genannt, obwohl es erlaubt ist und den Fahrradparkern ja gar nichts anderes übrig bleibt. Es gibt einfach keine guten Stellplätze und schon gar nicht für Lastenräder oder Fahrräder mit Anhängern.
Zur Zeit ist die Stadt Neumarkt mit der Bahn im Gespräch, wie im Rahmen der bundesweiten Bike+Ride-Offensive Abstellanlagen für Fahrräder am Bahnhof Neumarkt errichtet werden können. Informationen dazu fließen leider sehr spärlich. Ich hatte in der letzten Aprilwoche Gelegenheit, an einem Seminar des Deutschen Instituts für Urbanistik in Nürnberg teilzunehmen. Zwei Tage lang wurde über die Möglichkeiten, technischen und rechtlichen Vorraussetzungen für Fahrradabstellanlagen und schon realisierte Projekte berichtet. Ich habe dort, soweit mir Zahlen und Fakten zur Verfügung standen, über sie Situation am Bahnhof Neumarkt berichtet:
Es gibt etwa 460 Abstellplätze, von denen 80 mit Rahmenanschließ-Möglichkeit und Überdachung so gestaltet sind, dass man sie tolerieren kann, zusätzlich etwa 20 abschließbare Boxen. Und während die meisten Abstellplätze an der Südseite des Bahnhofes leer stehen, habe ich an einem normalen Werktag vormittags über 160 Fahrräder gezählt, die außerhalb der Abstellanlagen vor dem Bahnhofsgebäude standen. Mit diesen zahlenwäre ein Fahrradparkhaus am Bahnhof schon zu rechtfertigen. Es gibt also einen großen Bedarf für gute Abstellanlagen.
Als erstes müssen die Abstellanlagen dahin, wo Radfahrer am Bahnhof ankommen, das ist in Neumarkt eben die Nordseite. Es gibt ausser der Hasenheide kein Wohnviertel in Neumarkt, von dem aus der kürzeste Weg zum Bahnhof an die Südseite führt. Und auch die gesamte Infrastruktur mit Bahnhofsgebäude und Busbahnhof finden sich auf der Nordseite. Nur die Radabstellanlagen nicht. Aber auch diese müssen an die Nordseite und nah an die Gleise, sonst werden sie nicht genutzt. Untersuchungen zeigen, dass die Wege zwischen Abstellplatz und Zielort nicht viel länger als 100 Meter sein sollen.
Zweitens muss es ausreichend Abstellplätze geben. Wirkt auch in Neumarkt einmal die Förderung des Radverkehrs, worauf zu hoffen ist, müssen neben den oben erwähnten 160 Fahrrädern weitere 50 bis 100 Fahrräder ihren Stellplatz finden. Insgesamt also 250 neue Abstellplätze.
Dazu braucht es auch Plätze für Lastenräder oder Fahrräder mit Anhängern. Lastenradförderung ist doch ein wichtiges Thema in der Radverkehrsförderung in Neumarkt.
Wo kann der Platz für alle diese Fahrräder geschaffen werden? Ich bezweifle, dass selbst mit Etagenabstellanlagen ausreichend Platz für so viele Räder ist. Stellt man alle 80 cm ein Fahrrad, auf benötigt man für 125 Stellplätze eine Länge von 100 Metern.
Schaut man in andere Städte, so gibt es wunderbare Lösungen. 250 Stellplätze sind eine ganze Menge und so haben viele Kommunen den erfolgreichen Schritt getan und ein Fahrradparkhaus errichtet. Das war auch der Vorschlag auf dem Seminar für Abstellanlagen.
So ein Fahrradparkhaus bietet sichere Abstellplätze für alle Fahrräder. Auch können gesonderte Stellplätze für Lastenräder eingerichtet werden. Der Zugang zum Fahrradparkhaus kann geregelt und kontrolliert werden. Es gibt auch die Möglichkeit, offene, kostenfreie Abstellplätze mit Abstellplätzen in einem geschlossenen Bereich zu kombinieren. Letztere sind dann oft gebührenpflichtig mit Stunden-, Tages- und Jahrestarifen. Abschließbare Fahrradboxen, in denen Radtouristen mit Reisegepäck beladene Räder abstellen können runden das Angebot dann ab. Ob sich in Neumarkt eine Radstation mit Ausleihemöglichkeit und Reparaturservice lohnt, wage ich zu bezweifeln. Da sollten Erfahrungen aus anderen Städten hinzugezogen werden, bevor man sich für so etwas entscheidet.
Einige Bilder vom Fahrradparkhäusern habe ich hier in diesem Artikel gezeigt und bedanke mich bei allen, die mir die Veröffentlichung erlaubt haben. Die wichtige Frage nach den Kosten für ein solches Projekt kann für Neumarkt natürlich nur mit präziser Planung beantwortet werden. Das Fahrradparkhaus in Nürnberg hat mit 400 Stellplätzen 1,6 Millionen Euro gekostet. Zum Vergleich sei nur angemerkt, dass für die Erweiterung der Tiefgarage um 90 Stellplätze unter dem Residenzplatz und dem neuen Hochschulgebäude in Neumarkt Stand März 2023 7,7 Millionen Euro und für die Sanierung der bestehenden Tiefgarage 2,5 Millionen Euro eingeplant sind. So steht es im Sachstandsbericht des Hochbauamtes für die Stadtratssitzung vom 28. März 2023. Das Förderprogramm Stadt und Land mit seinem Förderaufruf für Radabstellanlagen unterstützt Maßnahmen die bis 2028 abgeschlossen sein müssen mit einer Förderquote von 75% oder mehr.
In Eberswalde wurden für das mit dem deutschen Verkehrswendepreis und dem Ingenieurbaupreis 2022 ausgezeichnete Gebäude für über 600 Stellplätze und 60 Fahrradboxen 2,2 Millionen Euro ausgegeben, wobei ein großer Teil der Kosten gefördert wurde. Diese Kosten stammen allerdings aus der Vor-Corona-Ära. Trotzdem sollte bei entsprechendem Willen der Gemeinde Neumarkt ein solches Fahrradparkhaus zu realisieren sein.
Das Gebäude wurde vollständig unter Nachhaltigkeitsaspekten errichtet. Von der tragenden Baukonstruktion bis zum Innenausbau wurden nachhaltige Baustoffe verwendet. Darüber hinaus werden die Beleuchtung und die Ladestationen mit dem Strom versorgt, der über die in den Glasscheiben der Außenfassade integrierten Photovoltaikmodule gewonnen wird.
Für den Förderaufruf „Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen“ ist es in Neumarkt wohl schon zu spät. Aber vielleicht gelingt es ja, an der neuen Hochschule eine Fahrradparkstation einzurichten. Der Mobilitätspunkt Bad Kreuznach ist ein schönes Vorbild.
- TR6102 Empfehlenswerte Fahrrad Abstellanlagen, ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.
- Infobroschüre zur Kommunalrichtlinie 4.2.5 d) Bike+RideRadabstellanlagen des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
- Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2023 zur Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr (2022/2909(RSP))
- Hinweise für die Planung von Fahrrad-Abstellanlagen ADFC Bayern
- DIN 79008: Stationäre Fahrradparksysteme – Teil 1: Anforderungen, Teil 2: Prüfverfahren
- Radverkehrsanlagen, Forumsverlag 2022
- Hinweise zum Fahradparken, FGSV 2012
Abb.5a und b: Fahrradparkhaus Fellbach https://www.slb-architektenundingenieure.de/
Abb.6: Fahrradparkhaus Oranienburg https://www.orion-bausysteme.de/de/aktuell/2021/fahrradparkhaus-oranienburg
Abb.7: Fahrradparkhaus Nürnberg https://www.orion-bausysteme.de/de/aktuell/2021/fahrradparkhaus-nuernberg
Abb.8: Fahrradparkhaus Kellinghusen https://hamburg.adfc.de/artikel/fahrradparkhaus-kellinghusenstrasse-eroeffnet
Abb.9 a-c Fahrradparkhaus https://www.slb-architektenundingenieure.de/