Ein Fahrradparkhaus in Neumarkt?




Wie wichtig gute Unterstellmöglichkeiten und Abstellmöglichkeiten für Fahrräder sind, wenn eine Gemeinde das Radfahren attraktiv gestalten will, wird in der letzten Zeit immer deutlicher:

„… dass das Fehlen gesicherter Abstellanlagen und von Maßnahmen zur Verhinderung von Diebstahl sowie der Mangel an gesonderten Radwegen als die beiden Haupthindernisse gelten, die der Anziehung neuer Nutzerinnen und Nutzer und der Erschließung des vollen Potenzials des Radverkehrs in Städten im Wege stehen;…“
Abb.1: Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr
steht jetzt sogar in der Resolution des Europaparlamentes zur Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr3 vom 23. Februar 2023. Interessant ist es, dass hier die Bereitstellung von guten Abstellanlagen für Fahrräder genauso wichtig genommen wird wie gute Radverkehrsanlagen. Und das ist doch auch logisch. Was helfen einem die besten Straßen, wenn man als Autofahrer am Zielort keine Möglichkeit hat, das Auto abzustellen? Das gleiche sollte auch für Radfahrer gelten. Nach meiner Auswertung der Polizeiberichte ist der Diebstahl von und Vandalismus an Fahrrädern wohl das häufigste Delikt in Neumarkt ( https://radfahren-in-neumarkt.de/unfaelle-und-diebstaehle/ ) . Und das Abstellen von Fahrrädern, einfach da wo Platz ist, ist ja auch nicht nur der Bequemlichkeit geschuldet. Gute Abstellanlagen wünscht sich jeder Radfahrer. Aber die sind Mangelware.
Das beste Beispiel dafür ist der Vorplatz des Bahnhofs in Neumarkt. Aber auch im Verlauf der Bahnhofstraße und in der Innenstadt fehlen moderne, sichere und attraktive Abstellmöglichkeiten. Die sind mindestens genauso wichtig wie Trinkwasserbrunnen und Blumenkübel, wenn man die Innenstadt schön gestalten will. Nirgendwo gibt es Fahrradständer, die auch nur im geringsten den DIN-Anforderungen oder der technischen Richtlinie TR6102 entsprechen. Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Und so werden die Fahrräder irgendwo abgestellt. „Wild Parken“ wird das manchmal genannt, obwohl es erlaubt ist und den Fahrradparkern ja gar nichts anderes übrig bleibt. Es gibt einfach keine guten Stellplätze und schon gar nicht für Lastenräder oder Fahrräder mit Anhängern.
Aber Meckern alleine hilft nicht. Wo ist die Lösung?
Zur Zeit ist die Stadt Neumarkt mit der Bahn im Gespräch, wie im Rahmen der bundesweiten Bike+Ride-Offensive Abstellanlagen für Fahrräder am Bahnhof Neumarkt errichtet werden können. Informationen dazu fließen leider sehr spärlich. Ich hatte in der letzten Aprilwoche Gelegenheit, an einem Seminar des Deutschen Instituts für Urbanistik in Nürnberg teilzunehmen. Zwei Tage lang wurde über die Möglichkeiten, technischen und rechtlichen Vorraussetzungen für Fahrradabstellanlagen und schon realisierte Projekte berichtet. Ich habe dort, soweit mir Zahlen und Fakten zur Verfügung standen, über sie Situation am Bahnhof Neumarkt berichtet:
Es gibt etwa 460 Abstellplätze, von denen 80 mit Rahmenanschließ-Möglichkeit und Überdachung so gestaltet sind, dass man sie tolerieren kann, zusätzlich etwa 20 abschließbare Boxen. Und während die meisten Abstellplätze an der Südseite des Bahnhofes leer stehen, habe ich an einem normalen Werktag vormittags über 160 Fahrräder gezählt, die außerhalb der Abstellanlagen vor dem Bahnhofsgebäude standen. Mit diesen zahlenwäre ein Fahrradparkhaus am Bahnhof schon zu rechtfertigen. Es gibt also einen großen Bedarf für gute Abstellanlagen. 
Wie müssen diese gestaltet sein?
Als erstes müssen die Abstellanlagen dahin, wo Radfahrer am Bahnhof ankommen, das ist in Neumarkt eben die Nordseite. Es gibt ausser der Hasenheide kein Wohnviertel in Neumarkt, von dem aus der kürzeste Weg zum Bahnhof an die Südseite führt. Und auch die gesamte Infrastruktur mit Bahnhofsgebäude und Busbahnhof finden sich auf der Nordseite. Nur die Radabstellanlagen nicht. Aber auch diese müssen an die Nordseite und nah an die Gleise, sonst werden sie nicht genutzt. Untersuchungen zeigen, dass die Wege zwischen Abstellplatz und Zielort nicht viel länger als 100 Meter sein sollen.

Zweitens muss es ausreichend Abstellplätze geben. Wirkt auch in Neumarkt einmal die Förderung des Radverkehrs, worauf zu hoffen ist, müssen neben den oben erwähnten 160 Fahrrädern weitere 50 bis 100 Fahrräder ihren Stellplatz finden. Insgesamt also 250 neue Abstellplätze.

Dazu braucht es auch Plätze für Lastenräder oder Fahrräder mit Anhängern. Lastenradförderung ist doch ein wichtiges Thema in der Radverkehrsförderung in Neumarkt.

Wo kann der Platz für alle diese Fahrräder geschaffen werden? Ich bezweifle, dass selbst mit Etagenabstellanlagen ausreichend Platz für so viele Räder ist. Stellt man alle 80 cm ein Fahrrad, auf benötigt man für 125 Stellplätze eine Länge von 100 Metern.
Abb.2:: Platzbedarf für 250 Stelllplätze bei Doppelparkanlagen auf dem Bahnsteig von Gleis1 
Dann wäre der gesamte Bahnsteig 1 in Neumarkt mit Fahrrädern zugeparkt. Ich bin gespannt, was die Bahn da für Vorschläge machen wird.
Schaut man in andere Städte, so gibt es wunderbare Lösungen. 250 Stellplätze sind eine ganze Menge und so haben viele Kommunen den erfolgreichen Schritt getan und ein Fahrradparkhaus errichtet. Das war auch der Vorschlag auf dem Seminar für Abstellanlagen.
So ein Fahrradparkhaus bietet sichere Abstellplätze für alle Fahrräder. Auch können gesonderte Stellplätze für Lastenräder eingerichtet werden. Der Zugang zum Fahrradparkhaus kann geregelt und kontrolliert werden. Es gibt auch die Möglichkeit, offene, kostenfreie Abstellplätze mit Abstellplätzen in einem geschlossenen Bereich zu kombinieren. Letztere sind dann oft gebührenpflichtig mit Stunden-, Tages- und Jahrestarifen. Abschließbare Fahrradboxen, in denen Radtouristen mit Reisegepäck beladene Räder abstellen können runden das Angebot dann ab. Ob sich in Neumarkt eine Radstation mit Ausleihemöglichkeit und Reparaturservice lohnt, wage ich zu bezweifeln. Da sollten Erfahrungen aus anderen Städten hinzugezogen werden, bevor man sich für so etwas entscheidet. 
Abb.3: Standort für das Fahrradparkhaus am Bahnhof
Und wohin mit dem Fahrradparkhaus? Am besten geeignet ist der Platz neben dem Bahnsteig 1, wo jetzt schon die Fahrradboxen und Fahrradständer untergebracht sind. Und mit dem Platz, den das danebenliegende Gebäude einnimmt, sollte es auf jeden Fall reichen. Das wäre ein guter Platz: mit dem Fahrrad auf der Nordseite des Bahnhofs ohne große Umwege zu erreichen und Ausgang direkt an den Bahnsteigen. Ich bin kein Architekt und kein Stadtplaner. Und Informationen zu den Besitzverhältnissen an dieser Stelle bekomme ich nicht. Aber man darf ja noch träumen.
Einige Bilder vom Fahrradparkhäusern habe ich hier in diesem Artikel gezeigt und bedanke mich bei allen, die mir die Veröffentlichung erlaubt haben. Die wichtige Frage nach den Kosten für ein solches Projekt kann für Neumarkt natürlich nur mit präziser Planung beantwortet werden. Das Fahrradparkhaus in Nürnberg hat mit 400 Stellplätzen 1,6 Millionen Euro gekostet. Zum Vergleich sei nur angemerkt, dass für die Erweiterung der Tiefgarage um 90 Stellplätze unter dem Residenzplatz und dem neuen Hochschulgebäude in Neumarkt Stand März 2023 7,7 Millionen Euro und für die Sanierung der bestehenden Tiefgarage 2,5 Millionen Euro eingeplant sind. So steht es im Sachstandsbericht des Hochbauamtes für die Stadtratssitzung vom 28. März 2023. Das Förderprogramm Stadt und Land mit seinem Förderaufruf für Radabstellanlagen unterstützt Maßnahmen die bis 2028 abgeschlossen sein müssen mit einer Förderquote von 75% oder mehr.

In Eberswalde wurden für das mit dem deutschen Verkehrswendepreis und dem Ingenieurbaupreis 2022 ausgezeichnete Gebäude für über 600 Stellplätze und 60 Fahrradboxen 2,2 Millionen Euro ausgegeben, wobei ein großer Teil der Kosten gefördert wurde. Diese Kosten stammen allerdings aus der Vor-Corona-Ära. Trotzdem sollte bei entsprechendem Willen der Gemeinde Neumarkt ein solches Fahrradparkhaus zu realisieren sein.
Abb.4: Preisgekröntes Fahrradparkhaus in Eberswalde



Und wenn die Fläche zu klein ist für die benötigte Anzahl von Stellplätzen, kommt vielleicht auch ein Parkturm wie in Fellbach bei Stuttgart in Frage. Auf der Fläche von 30 qm, das ist weniger, als für drei Auto-Parkplätze benötigt wird, werden 76 Fahrräder sicher abgestellt.
Abb. 5a: Architektenentwurf des Parkturm in Fellbach
Abb. 5b: Radbox  Fellbach 

Das Fahrradparkhaus in Oranienburg hat viele offene Abstellplätze. Die rechts im Bild sichtbare Rampe führt in die erste Etage und dann durch das Parkhaus zu den Bahnsteigen.
Abb.6: Fahradparkhaus Oranienburg mit offenem Durchgang zu den Gleisen


Die Nürnberger haben ihr Fahradparkhaus auf der Südseite zum Nelson-Mandela-Platz hin an den Bahndamm angeschmiegt:
Abb.7: Fahrradparkhaus am Hauptbahnhof n Nürnberg 
Ähnlich auch in Kellinghusen bei Hamburg:
Abb.8: Fahrradparkhaus Kellinghusen
In Bad Kreuznach, einer Stadt ähnlich groß wie Neumarkt, wurde mit dem Fahrrdparkhaus ein Mobil- und Infopunkt (MIP) realisiert. In dem Gebäude ist der Fahrradspeicher im ersten Stock und im Erdgeschoß finden sich eine Fahrradwerkstatt, ein E-Bike-Store, eine Informationswand für Touristen, eine Informationstelle und für Angestellte des Kommunalverkehr Rhein-Nahe GmbH ein Pausenraum sowie eine behindertengerechte Toilette.

Das Gebäude wurde vollständig unter Nachhaltigkeitsaspekten errichtet. Von der tragenden Baukonstruktion bis zum Innenausbau wurden nachhaltige Baustoffe verwendet. Darüber hinaus werden die Beleuchtung und die Ladestationen mit dem Strom versorgt, der über die in den Glasscheiben der Außenfassade integrierten Photovoltaikmodule gewonnen wird.

Abb. 8 a-c: Mobilitäts- und Informationspunkt in Bad Kreuznach
Die Benutzungskosten sind unterschiedlich geregelt. In Oranienburg sind die Räder offen abgestellt und es werden für diese frei zugänglichen Abstellplätze keine Gebühren erhoben. Aber die meisten Fahrradparkhäuser sind nur registrierten Nutzern zugänglich. Die Gebühren liegen zwischen 70 Cent bis 1 Euro pro Tag, Monatsmieten um 10 Euro und Jahresmieten etwa zwischen 70 und 100 Euro. Betrieben werden die Parkhäuser mal von der Kommune, mal von dem örtlichen Versorgungswerk und oft auch von den Betreibern der lokalen Parkhäuser. Das ist auch in Neumarkt möglich. Andere Gemeinden konnten Fahrradparkhäuser in einem Zeitrahmen von 2 1/2 bis 3 1/2 Jahren von Beschluss bis Inbetriebnahme realisieren.
Für den Förderaufruf „Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen“ ist es in Neumarkt wohl schon zu spät. Aber vielleicht gelingt es ja, an der neuen Hochschule eine Fahrradparkstation einzurichten. Der Mobilitätspunkt Bad Kreuznach ist ein schönes Vorbild.



Literatur:

  1. TR6102 Empfehlenswerte Fahrrad Abstellanlagen, ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.
  2. Infobroschüre zur Kommunalrichtlinie 4.2.5 d) Bike+RideRadabstellanlagen des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
  3. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2023 zur Entwicklung einer Strategie der EU für den Radverkehr (2022/2909(RSP))
  4. Hinweise für die Planung von Fahrrad-Abstellanlagen ADFC Bayern
  5. DIN 79008: Stationäre Fahrradparksysteme – Teil 1: Anforderungen, Teil 2: Prüfverfahren
  6. Radverkehrsanlagen, Forumsverlag 2022
  7. Hinweise zum Fahradparken, FGSV 2012
Bildnachweis:Abb.4: Fahrradparkhaus Eberswalde, https://mil.brandenburg.de/mil/de/presse/detail/~17-08-2022-fahrradparkhaus-ew#

Abb.5a und b: Fahrradparkhaus Fellbach https://www.slb-architektenundingenieure.de/

Abb.6: Fahrradparkhaus Oranienburg https://www.orion-bausysteme.de/de/aktuell/2021/fahrradparkhaus-oranienburg

Abb.7: Fahrradparkhaus Nürnberg https://www.orion-bausysteme.de/de/aktuell/2021/fahrradparkhaus-nuernberg

Abb.8: Fahrradparkhaus Kellinghusen https://hamburg.adfc.de/artikel/fahrradparkhaus-kellinghusenstrasse-eroeffnet

Abb.9 a-c Fahrradparkhaus https://www.slb-architektenundingenieure.de/

10. Mai 2023
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