Vollsperrung – kein Durchkommen für Radfahrer?
„Die Verkehrsträger des Umweltverbundes Fahrradfahren, Zu-Fuß-Gehen und der ÖPNV werden bei der Stadt- und Verkehrsplanung, insbesondere in der Innenstadt, gegenüber dem motorisierten Individualverkehr bevorzugt. Dabei wird der Radverkehr besonders gefördert.“
Zitat aus der Impulse für die nachhaltige Stadt – Die Neumarkter Nachhaltigkeitsstrategie, 20181
Alle Verkehrsmittel sollen gleiche Bedingungen erhalten:
“Berücksichtigung aller Verkehrsmittel mit gleicher Priorität kann demzufolge nicht bedeuten, dass der Kfz-Verkehr – der selbstverständlich auch positiv weiter zu entwickeln ist – mit gleicher Intensität gefördert wird wie beispielsweise der Radverkehr. Es geht vielmehr darum, alle Verkehrsmittel auf gleiches Niveau zu heben und ihnen den gleichen Stellenwert im Verkehrsgeschehen einzuräumen, den der Kfz-Verkehr bereits heute innehat.”
Zitat aus dem Integrierten Gesamtverkehrsplan Neumarkt, 20132
Die Stadt Neumarkt ist fahrradfreundlich:
Die Stadt Neumarkt i.d.OPf. war 2012 eine von 38 Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e.V. und die Stadt Neumarkt wurde im Jahr 2020 rezertifiziert als „Fahrradfreundliche Kommune“.3
Kommt es jedoch zu Bau- oder Straßenarbeiten, die den Straßenquerschnitt verringern, sind es immer zuerst die Radfahrer und Fußgänger, die ausgesperrt werden. Jetzt ist es wieder soweit. An der Freystädter Straße, zwischen dem Kanal und der Kreuzung mit dem Kurt-Romstöck-Ring gibt es die Baustelle für die neue Feuerwache. Und schwupps – schon ist die Durchfahrt für Radfahrer verboten. Die aktuelle Beschilderung (Abb. 1) läßt keinen anderen Schluss zu. Verkehrszeichen 254 „Verbot für den Radverkehr“ (Abb. 2) bedeutet, dass hier kein Radfahrer mehr durchfahren darf. Vollsperrung! Ich weiß gar nicht, ob es wirklich so gemeint ist, aber die Beschilderung ist eindeutig. Schon an früheren Baustellen, sei es an der Dammstraße, an der Kreuzung vor dem Krankenhaus, der Woffenbacher oder Altdorfer Straße und am Anfang der Freystädter Straße (Abb. 3-7) konnte ich dokumentieren, dass es immer wieder zu Vollsperrungen für Radfahrer gekommen ist. Teilweise wurde der Radverkehr umgeleitet, ohne dass allerdings auf der anderen Straßenseite ein entsprechender Radweg ausgeschildert wurde.
Abb.3: Baustelle an der Dammsstraße
Abb.4:: Beidseitige Gehwegsperrung Woffenbacher straße
Abb.5: Umbau der Kreuzung vor dem Krqnkenhaus
Abb.6: Freystädter Straße
Abb.7: Altdorfer Straße
– benachteiligt Fußgänger und Radfahrer
– zeigt die Lieblosigkeit der Verkehrsregelung
– und widerspricht geltenden Regelwerken.
Die Stadtführung in Neumarkt ist stolz auf die Mitgliedschaft in der AGFK (Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen) in Bayern, die sich die Förderung des Radverkehrs auf die Fahnen geschrieben hat, hält sich aber nicht an derebn Empfehlungen.
Kapitel 3.1: Allgemeine Grundsätze zur Führung von Fuß- und Radverkehr im Baustellenbereich der AGFK
- Die Sicherheit ist für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Insbesondere Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht gefährdet werden oder zu gefährlichem Verhalten animiert werden (z.B. auf der Fahrbahn an einer Arbeitsstelle entlang gehen, weil keine Querungsmöglichkeit besteht).
- Besonderheiten für sensible Gruppen wie Kinder, Senioren, Personen mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl sowie Sehbehinderte sind zu beachten. Für Sehbehinderte sind in der Regel kontrastreiche Gestaltungen zu empfehlen sowie Tastleisten anzubringen .
- Jegliche Form von Stolperkanten mit mehr als 3,00 cm Höhenunterschied, z.B. Abdeckplatten, sind zu vermeiden oder zu sichern, z.B. durch Anrampungen in Form von Asphaltkeilen o.ä., und zwar auf ganzer Breite oder Länge.
- Fuß- und Radverkehr sind in der Regel entlang der Arbeitsstelle auf der gleichen Straßenseite fortzuführen, ggf. auf einem Notweg, der Radverkehr ggf. mit Einleitung auf die Fahrbahn.
- In Fällen, in denen der Fußverkehr nicht auf der gleichen Straßenseite entlang der Arbeitsstelle geführt werden kann, sind Querungsstellen einzurichten (bei Tempo 50 in der Regel erforderlich, in Tempo-30-Zonen teilweise verzichtbar).
- Wege müssen gegenüber der Arbeitsstelle, neue Notwege ggf. zusätzlich auch zur Fahrbahn gesichert werden.
- Alle nutzbaren Flächen müssen barrierefrei nutzbar sein (ohne Kanten oder Stufen, Rampen mit einem Höhe-zu-Seite-Verhältnis von 1 zu 5 (d.h. maximal 20 % Steigung auf kurzer Strecke), z.B. mit einem Asphaltkeil vom Radweg auf die Fahrbahn oder auch vom Gehweg zum Notweg bzw. zurück auf Geh- oder Radweg. Die Überleitung muss in einer ausreichenden Breite vorliegen, damit diese auch von Rollstuhlfahrern oder mit Fahrradanhängern genutzt werden kann.
- Ausreichende Breiten müssen auf die ganze Länge sichergestellt werden: soweit für eine Art der Führung die Breite nicht ausreicht, ist eine andere Führung zu wählen. Dann werden ggf. weitere Maßnahmen erforderlich, wie z.B. ein Notweg, eine Einleitung des Radverkehrs auf die Fahrbahn oder eine Umleitung.
- Arbeitsstellen, die über Nacht bestehen bleiben, müssen bei Dunkelheit ausreichend beleuchtet sein, sodass die Absperrung erkennbar ist. Die Verkehrssicherungspflicht gilt zu jeder Tageszeit. Diese wird, wenn die örtliche Beleuchtung nicht ausreicht, über gelbe Dauerlichter sichergestellt.
- Bei hohem Fuß- oder Radverkehrsaufkommen sollten die geplanten Breiten gegenüber Tabelle 1, S. 12 angehoben werden. Soweit irgend möglich, sind größere Breiten als die Mindestbreiten zu verwenden.
- Eine Umleitung muss durchgehend beschildert werden. Bei sich überlagernden Umleitungen und Umleitungen, die von der Arbeitsstelle wegführen, sind ggf. Zielangaben erforderlich
Kapitel 3.2 Besondere Grundsätze zur Berücksichtigung des Radverkehrs der AGFK
- Dem Radverkehr soll das Passieren der Arbeitsstelle ohne abzusteigen ermöglicht werden, der Verkehrszeichenplan ist entsprechend zu erstellen. Entsprechend soll auch das Schild „Radfahrer absteigen“ nicht verwendet werden. Ggf. ist eine Umleitung erforderlich.
- Wenn vor und/oder hinter der Baustelle eine Benutzungspflicht für den Radverkehr besteht, soll sie möglichst entlang der Arbeitsstelle aufrechterhalten werden, d. h. entsprechende Breiten sind zu berücksichtigen. Aber:
- Ist dies nicht möglich, gilt: Radverkehr ist Fahrverkehr. Soweit Rad- und Fußverkehr sich also mit engen gemeinsamen Flächen begnügen müssten, wird besser die Benutzungspflicht aufgehoben (ggf. Ersatz durch Gehweg, Radverkehr frei) und der Radverkehr vor der Arbeitsstelle gesichert auf die Fahrbahn eingeleitet. Wenn es die Fahrbahnbreite ermöglicht, sollten Schutzstreifen markiert werden.
- Sind Schutzstreifen nicht möglich und der Radverkehr muss die Fahrbahn im Mischverkehr nutzen, muss geprüft werden, ob wegen der arbeitsstellenbedingten Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn Tempo 30 angeordnet werden sollte. Bei starker Einengung der Fahrbahn gilt dies ggf. auch für die Gegenrichtung.
- Wenn Radverkehr vom Seitenraum an der Arbeitsstelle auf die Fahrbahn geleitet werden soll, ist dieser gegenüber dem nachfolgenden Kfz-Verkehr mit Baken zu sichern. Alternativ kann die Einleitung an einem Knotenpunkt mit deutlichen Markierungen vorgenommen werden.
- Zweirichtungsradwege entlang der Arbeitsstelle sollen nur dann aufrecht erhalten werden, wenn dies wegen der Anschlussstrecken beidseits der Arbeitsstelle oder infolge nicht zu schaffender Querungsmöglichkeiten unumgänglich ist. Die Führungsform des Radverkehrs soll grundsätzlich auch in der Arbeitsstelle durchgängig erhalten bleiben.
- Wenn ohne die Arbeitsstelle für Radfahrer keine Benutzungspflicht besteht, darf diese nur in seltenen Ausnahmenfällen aufgrund der Arbeitsstelle angeordnet werden, z.B. aufgrund besonderer Gefährdungen auf der Fahrbahn infolge der Arbeitsstelle, wie spitzwinkelige Überquerung von Rillen in der Fahrbahn.
- Soweit bestehende Einbahnstraßen mit Freigabe für Radverkehr in Gegenrichtung betroffen sind, ist der Radverkehr in beiden Fahrtrichtungen zu berücksichtigen d. h. alle vorher möglichen Fahrbeziehungen müssen aufrechterhalten werden. Ist dies nicht möglich, ist eine Umleitung auszuweisen.
- Aus diesen allgemeinen und besondern Grundsätzen möchte ich einige Punkte hervorheben:
„In Fällen, in denen der Fußverkehr nicht auf der gleichen Straßenseite entlang der Arbeitsstelle geführt werden kann, sind Querungsstellen einzurichten (bei Tempo 50 in der Regel erforderlich, in Tempo-30-Zonen teilweise verzichtbar). Querungsstellen für Radfahrer werden nirgendwo empfohlen.“
An der Freystädter Straße fehlt eine gut beschilderte und abgesicherte Querungsstelle.
„Die Sicherheit ist für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Insbesondere Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht gefährdet werden oder zu gefährlichem Verhalten animiert werden (z.B. auf der Fahrbahn an einer Arbeitsstelle entlang gehen, weil keine Querungsmöglichkeit besteht).“Die Sicherheit ist für alle Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Insbesondere Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht gefährdet werden oder zu gefährlichem Verhalten animiert werden (z.B. auf der Fahrbahn an einer Arbeitsstelle entlang gehen, weil keine Querungsmöglichkeit besteht).”
Schon während einer kurzen Beobachtungszeit sieht man an der Freystädter Straße einige Radfahrer, die das Durchfahrtsverbot ignorieren und trotz Verbot auf der Fahrbahn weiterfahren.
Es gibt drei Möglichkeiten:
- 1. Die Vollsperrung des stadtauswärts führenden gemeinsamen Fuß- und Radwegs bleibt erhalten. Dann muss der Radverkehr und der Fußverkehr korrekt auf die andere Straßenseite geführt werden. Hierzu ist eine sichere Querung erforderlich und der gemeinsame Fuß- und Radweg muss als solcher ausgeschildert werden
- 2. Fußgänger werden auf die andere Straßenseite geführt, Radfahrer auf die Fahrbahn. Hierzu ist eine korrekte Einleitung des Radverkehrs auf die Fahrbahn für den Radverkehr vonnöten. Dazu gehört bei hoher Verkehrsdichte auch eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h.
- 3. Fuß- und Gehweg bleiben auf der stadtauswärts rechten Seite. Dafür
muss man die Fahrbahn verengen oder auf eine Fahrspur verzichten. Das
wäre die für AGFK- Kommunen korrekte Lösung mit Gleichberechtigung des
Rad- und Fußverkehr mit dem KFZ-Verkehr, ist aber in Neumarkt noch nie
ausprobiert worden. So würden alle Verkehrsteilnehmer gleich
berücksichtig, eine unsichere Querung der Straße ist nicht nötig und die
Wege verlängern sich für die umweltfreundlichen Verkehrsmittel nicht.
Leider gibt es für eine Geh- und Radwegsperrung an eine zweispurigen
Fahrbahn keine Musterpläne, da weder die RSA noch die AGFK sich wohl
vorstellen konnten, dass man Fußgänger und Radfahrer eher auf die andere
Straßenseite führt oder eine Vollsperrung anordnet, als dass man auf
eine Fahrspur verzichtet. Am ehesten solte man entsprechend dem Regelplan
B I/11 Vierstreifige Fahrbahn mit Sperrung eines rechten Fahrstreifens
bzw. dreistreifige Fahrbahn mit Sperrung im Bereich der zweistreifigen
Richtung (Abb. 10) vorgehen.
-
Selbst bei viel schmaleren Straßen als der Freystädter Straße werden
die Sperrung oder Einengung einer Fahrspur von der FGSV und der AGFK
empfohlen.
Abb. 11 - 13: Bilder der Baustellenabsperrung. Eine Sperrung des Radweges ist nicht nötig.
2. Integrierten Gesamtverkehrsplan Neumarkt, 2013
3. https://www.neumarkt.de/leben-wohnen/verkehr/radverkehr/zertifizierung-fahrradfreundliche-kommune/ (17.10.2023)
4. Richtlinien für die verkehrsrechtliche Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen, FGSV 2021
5. Leitfaden Baustellen – Führung von Fuß- und Radverkehr im Baustellenbereich, AGFK Bayern