Wieso hört hier der Radweg auf?


Die Führung des Radverkehrs an Knotenpunkten

Abb.1: Radweg an der Aberger Straße

Schon Jan Böhmermann fragte: Wieso hört hier der Radweg auf?1


Spricht man über Radwege, Radfahrstreifen oder Schutzstreifen, ist in der StVO2 klar was gemeint und angeordnet ist. Auch die Anforderungen an diese Radverkehrsanlagen (Radwege ist der umgangssprachliche, aber in der StVO nur für Radwege im Seitenraum neben dem Gehweg verwendete Begriff) sind klar bezüglich Breite, Markierung und Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Radwege im Sinne der StVO sind immer baulich von der Fahrbahn getrennt. Einen korrekten Überbegriff, um Radwege, Radfahrstreifen und Schutzstreifen zusammen zu fassen kenne ich nicht, da zu den Radverkehrsanlagen auch noch die Furten an den Kreuzungen und die Abstellanlagen gehören.

Nicht einfacher ist es an den im Fachjargon Knotenpunkte genannten Kreuzungen. Es gibt viele Möglichkeiten für Fußgänger, Radfahrer und Autos Kreuzungen zu überqueren oder dort auf die eine oder andere Weise die Richtung zu wechseln. Zeichnet man alle Möglichkeiten als Linien ein, ergibt sich schon an einer mittelgroßen Kreuzung ein Bild, das dem berühmten Gordischen Knoten ähnelt, den schon Alexander der Große der Sage nach nur mit einem Schwerthieb lösen konnte.

Für Fußgänger gibt es einfach den Bürgersteig und den Fußgängerüberweg.

Die Autos fahren auf der Fahrbahn.


Kompliziert wird es bei den Radfahrern. Die sollen
  • mal mit den Autos auf der Fahrbahn,   
  • mal neben den Autos rechts auf  der Fahrbahn, 
  • mal neben der Fahrbahn im Seitenraum auf dem Radweg,
  • mal neben der Fahrbahn auf dem Bürgersteig zusammen mit den Fußgängern und sogar
  • mal auf der linken Straßenseite auf dem Radweg oder dem Bürgersteig fahren.
Diese vielen verschiedenen Möglichkeiten der Radverkehrsführung erzeugt Flexibiltät, aber auch Beliebigkeit. Die Regeln, die zu beachten sind stammen unter anderem aus
  • der Straßenverkehrsordnung ( StVO),
  • der Verwaltungsverordnung zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO3),
  • der Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen RASt und
  • den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)


Grundsätzlich gilt: Der Radverkehr gehört auf die Fahrbahn!
Sonderregelungen wie Schutzstreifen, Radfahrstreifen und Radwege, sei es ein einfacher Radweg oder ein gemeinsamer Fuß- und Radweg, bedürfen einer Anordnung und Begründung. Bei den vielen Möglichkeiten den Radverkehr zu lenken, sei es durch die Straßengestaltung oder die Beschilderung, gibt es auch viele Konfliktpunkte.
Und was sagen die Regelwerke dazu? Zuallererst müssen die Radverkehrsanlagen für die Radfahrer geeignet sein. Standard- und Mindestbreiten sind festgelegt. Die Regelungen sollen auch verständlich sein. Hierzu einiger Zitate aus den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)5, Seite 37 :
„Knotenpunkte müssen aus allen Knotenpunktzufahrten rechtzeitig erkennbar, begreifbar, übersichtlich sowie gut und sicher befahrbar bzw. begehbar sein.“Konflikträchtige Situationen sind zu vermeiden:Wegen ihrer Konfliktträchtigkeit sind folgende Situationen bzw. Entwurfselemente zu vermeiden: 
  • Überquerung von mehr als zwei Fahrstreifen des Kraftfahrzeugverkehrs zum Linkseinordnen des Radverkehrs. 
  • Durchgehende Fahrstreifen, die unmittelbar in Rechtsabbiegestreifen übergehen und den Radverkehr zum ungesicherten Wechsel auf den links angrenzenden Fahrstreifen zwingen.
  • Radverkehrsanlagen im engeren Knotenpunktbereich enden lassen.“
Und weiter heißt es:„Die Führung des Radverkehrs auf Zweirichtungsradwegen innerorts ist auf begründete Ausnahmefälle zu begrenzen. Ähnliche Knotenpunkte sollen innerhalb einer Stadt oder eines Straßenzuges nach Möglichkeit eine einheitliche Radverkehrsführung und Signalisierung aufweisen.“Zu Radweganfang und Radwegende steht auf Seite 26:„Die bauliche Ausführung von Radweganfang und -ende ist dem Abschnitt 11.1.6 zu entnehmen. Ein Radweganfang oder -ende ist auch erforderlich, wenn sich die Benutzungspflicht im Verlauf baulich angelegter Radwege ändert. An Radwegenden wird der Radverkehr durch entsprechende Bordführungen oder Schutzinseln baulich vom Kraftfahrzeugverkehr getrennt auf die Fahrbahn geführt. Im Verlauf der Strecke empfiehlt sich eine Verflechtungslänge von 10 bis 20 m, die als Radfahrstreifen oder Schutzstreifen ausgeführt ist.“Und so fährt man mit dem Wissen um diese Regelungen Rad und freut sich, wenn alles so gemacht wurde. Aber leider sieht die Realität der Radverkehrsanlagen in Neumarkt oft anders aus. Eindeutige Lösungen, die Fahrradfahrer intuitiv verstehen und bequem nutzen können, und auf denen sie sich sicher fühlen, sind nicht die Regel. Eher wird der Radverkehr ausgebremst durch gemeinsame Fuß- und Radwege, Zweirichtungsradwege und Umwege.
Niemand käme auf die Idee, wenn es eng wird die Autofahrer auf den Gehweg zu schicken oder Fußgänger auf die Fahrbahn. Für Radfahrer ist das normal. Schnell ist die Verbannung auf den Gehweg oder gar auf die linke Straßenseite angeordnet. Und die Autos haben freie Fahrt. Diese für Radfahrer ungünstigen Regelungen sind Folge der Beliebigkeit der Radverkehrsführung und der Grund für zahlreiche Regelverstöße von anordnenenden Behörden und Radfahrern. Das Zusatzschild 1022-10 „Radfahrer frei“ ist Ausdruck dieser Beliebigkeit.
Abb.2: Verekerhszeiche 1022-10 Radfahrer Frei
Eine attraktive und von allen Radfahrern genutzte Radverkehrsanlage muss 

  •  allen Anforderungen der Regelwerke genügen, am besten nicht nur den Mindestanforderungen,
  • geeignet sein, Radfahrer aller Altersgruppen sicher zu führen (Schlagwort Radfahren von 8 – 80 Jahre),
  • die Radfahrer nicht zu sehr benachteiligen (Umwege, Wartezeiten, Schrittgeschwindigkeit auf gemeinsamen Fuß- und Radwegen)
  • objektiv und subjektiv sicher sein.

Nur dann werden die Radverkehrsanlagen auch genutzt.

Steht aber der ungehindert ruhende und fahrende motorisierte Individualverkehr im Zentrum der Verkehrsplanung, wird das nicht gelingen. Die Klagen über die Falschfahrer unter den Radfahrern werden dann nicht verstummen. Wie soll es auch verstanden werden, wenn an einer Stelle ein gemeinsamer Fuß-Radweg angeordnet wird, und dann einige Meter weiter das Radfahren auf dem Bürgersteig als Falschfahren oder Geisterradeln verdammt wird?
Dass innerstädtisch eine Radführung auf der linken Straßenseite angeordnet oder angeboten wird, lehne ich prinzipiell ab. Das ist nämlich der für Radfahrer gefährlichste Weg von allen. Und die linksseitige Führung gibt es praktisch nur mit den Fußgängern gemeinsam. Das erlaubt mir nicht, zügig zu fahren. Also nicht schnell, nicht sicher und nicht bequem. 



Und in Neumarkt kann man sich viele solcher Konfliktpunkte anschauen:


Knotenpunket müssen[...] begreifbar und [...] übersichltich sein

An der Kreuzung der Nürnberger Straße mit der Woffenbacher Straße wird der Radfahrer erst nach rechts auf dem Radweg geführt, dann links über eine Furt neben dem Fußgängerüberweg (wer hat hier Vorfahrt?) auf die völlig unstrukturierte Dreiecksinsel. Anschließend mit den Fußgängern Richtung Innenstadt über die Straße auf einen gemeinsamen Fuß- und Radweg an der Bushaltestelle vorbei, um 10-15 m später dann auf dem eigentlichen Radweg zu landen.
Abb.3: Knotenpunkt Nürnberger/ Woffenbacher Strasse
Radweg – gemeinsame Furt neben Fußgängerüberweg – keine Regelung – Furt zusammen mit Fußgängern – gemeinsamer Fuß-Radweg – Radweg: fünfmal wechselt die Führungsform auf einer Strecke von weniger als 80 Metern




Radverkehrsanlagen, die im engeren Knotenpunktbereich enden, sind zu vermeiden

An der Amberger Straße endet der Radweg rechtsseitig kurz vor der Kreuzung Am Evangelienstein, ohne daß hier irgendeine Weiterfahrt ausgebaut oder beschildert ist. Auch fehlt hier die regelkonforme Einleitung auf die Fahrbahn über eine Strecke von 10 bis 20 Metern.

Am Evangelienstein wird der Radfahrer auf den Bürgersteig gezwungen, obwohl es an der Ampel dann geradeaus dort nicht weitergeht.

An der Mühlstraße wird der Radfahrstreifen stadtauswärts in einen Radweg geändert, der direkt an der Kreuzung mit der Weiherstraße aufhört.
Abb.4 Amberger Strasse
Abb.5: Am Evangelienstein
Abb.:6 Mühlstraße




    Knotenpunkte müssen aus allen Knotenpunktzufahrten ... begreifbar, übersichtlich sowie gut und sicher befahrbar bzw. begehbar sein.
    Der Radfahrstreifen auf der Florianstraße Richtung Innenstadt/Ringstraße führt zuerst auf den Gehweg (verboten weiterfahren oder schieben?), dann vor dem Kurt-Romstöck-Ring über die Florianstraße nach links, anschließend über die Rechtsabbiegerspur, dann nach rechts über den Kurt-Romstöck-Ring, um auf die in Fahrtrichtung linke Seite der Ringstraße zu gelangen. Hier ist mit Verkehrszeichen 240 ein verpflichtender gemeinsamer Fuß-Radweg ausgeschildert. Ob das für den ganzen Gehweg gilt oder der Radverkehr auf den Parkplatz geleitet werden soll, ist unklar. Gilt es für den straßenbegleitenden Gehweg, endet der gemeinsame Fuß- Radweg nach 20 Metern wieder, da dort die 30-Zone beginnt. Die daher notwendige Querung zurück auf die rechte Straßenseite ist nicht gesichert.
    Abb.7: Florianstraße
    Abb.8: so sieht der StVO konforme Weg für Radfahrer Richtung Ringstraße aus


    Wie wichtig die Lösung der Konflikte an den Knotenpunkten ist, zeigt die H EBRA6*, die immer die Knotenpunkte am Anfang und Ende der Prüfstrecke mit in die Bewertung einbezieht.

    Der beste Radfahrstreifen oder Radweg kann nicht gut sein, wenn Anfang und Ende schlecht ausgeführt sind.
    * Die H EBRA (Hinweise zur einheitlichen Bewertung von Radverkehrsanlagen) erlauben eine genaue , allerdings komplizierte Bewertung der Radverkehrsanlagen. Anhand eines Bewertungsschema werden die verschiedensten Mängel eine Radverkehrsanlage geprüft und hinsichtlich Ausführung, Erhaltungsqualität, Netzqualität und Attraktivität geprüft.  
    Literatur
    1. Jan Böhmermann : https://www.youtube.com/watch?v=nqF9chK05YM&ab_channel=ZDFMAGAZINROYALE
    2. StVO Straßenverkehrsordnung 2019
    3. Verwaltungsverordnung zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO)
    4. Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen RASt, FGSV  Verlag 2006
    5. ERA Empfehlunge für Radverkerhsanlagen FGSV Verlag 2010
    6. H EBRA Hinweise für die einheitliche Bewertung von Radverkehrsanlagen FGSV Verlag 2021
    2. Februar 2023
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