Das        
neue Straßenverkehrsgesetz
und die
          neue Straßenverkehrsordnung             
sind beschlossen





In meinen Beiträgen zur aktuellen Radverkehrspolitik habe ich über die Ablehnung der Änderungen zum  StVG und der StVO berichtet1. Im Juni 2024 kam dann die Wende. Am 6. Juni 2024 hat die Bundesregierung nach über einem halben Jahr Verzögerung den Vermittlungsausschuss angerufen. Dort, wie immer in geheimer Sitzung, wurden am 12.6.2024 geringfügige Änderungen in einer Beschlussempfehlung2 zusammengefasst. 

Danach ging es ganz schnell. Im Bundestag wurde das neue Straßenverkehrsgesetz am 14. Juni beschlossen und an den Bundesrat weitergeleitet, der noch am selben Tag der Gesetzesänderung zustimmte3.
In seiner Rede als Berichterstatter im Bundesrat hat der Ministerpräsident Dr. Rainer Haseloff bemerkt: 
„dass dieses – im vorliegenden Zusammenhang sei es erlaubt, das zu sagen – deutlich unter 30 bleibende Tempo der Gesetzgebung nicht zu dessen neuer Richtgeschwindigkeit werden sollte4.“Das Sitzungsprotokoll dokumentiert Gelächter an dieser Stelle.


Die wesentliche “Änderung” aufgrund des Vorschlags des Vermittlungsausschusses betrifft den § 1 Nummer 5 und den § 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7. Buchstabe a, Doppelbuchstabe bb:


die Wörter (alter Text)

„sofern die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt sind“

sind durch die Wörter (neuer Text)

„sofern die Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt ist und die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird“

zu ersetzen.



Zusätzlich hat der Bundesrat vorgeschlagen, den Begriff der „Ladezone“,der neu in das StVG und die StVO aufgenommen werden soll, durch den Begriff „Ladebereich“ zu ersetzen. Hierbei handelt es sich um Kurzzeit-Stellplätze, die nur zum Be- und Entladen genutzt werden dürfen, um so das Parkproblem der zahlreichen Liefer-  und Paketdienste zu entschärfen. Der Begriff Ladezone würde analog zur Fußgängerzone einen Bereich und nicht einen Platz suggerieren. Welches Zeichen dazu eingeführt wird, habe ich noch nicht herausgefunden. Vorschläge gab es viele.
Ich habe noch nicht herausgefunden, wie Ladebereiche demnächst beschildert werden.
In den Pressemitteilungen wurde insbesondere auf die Erleichterung der Anordnung von Tempo30-Zonen durch die Gemeinden selbst hingewiesen. Andere wesentliche Pumkte des neuen Gesetzes scheinen nicht so interessant:






ADAC:

Bald mehr Tempo 30?
Das bringt das neue Straßenverkehrs - Gesetz
Auto-Motor-Sport:

Weg für mehr Tempo-30-Zonen in Städten frei
TAZ :

Auto verliert Vorfahrt
Lange wurde verhandelt: Künftig können Städte und Gemeinden einfacher Radwege, Zebrastreifen und Tempo-30-Zonen einrichten.
WDR:

Warum bald mehr Tempo-30-Zonen kommen
Pressestimmen zum neuen Straßenverkehrsgesetz





Nach § 45 der StVO bedarf es  immer einer Begründung, wenn eine verkehrsrechtliche Anordnung (für Tempolimit, Fußgängerüberweg, Radwege oder Einbahnstraßen) erlassen wird. Daher ist eine solche Anordmung oft an der fehlenden oder unzureichenden Begründung gescheitert, sei es schon im Verwaltungsverfahren oder später vor Gericht5. Ohne nachgewiesene Gefährdung („Es muss erst ein Unfall passieren, bevor wir hier etwas anordnen dürfen“) konnten viele Anordnungen nicht durchgesetzt werden. Auch Aspekte der Verkehrsführung zur Quartiersberuhigung wie Einbahnstraßen oder Modalfilter, um Durchgangsverkehr in Wohnvierteln zu begrenzen sind oft gescheitert. Und je mehr in manchen Städten und Gemeinden fußgänger- und radfahrerfreundliche Verkehrsregelungen versucht wurden, umso größer wurde der Widerstand. Immer wieder mussten Maßnahmen wieder aufgehoben werden, da nach dem alten Straßenverkehrsgesetz Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs alleiniger Maßstab war6.

§45 StVO Absatz (9):
Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.



Jetzt bekommen die Gemeinden mehr Möglichkeiten, etwas für den Umweltverbund (Fußverkehr - Radverkehr - öffentlicher Personennahverkehr) zu tun. Damit hängt es umso mehr vom Willen der Lokalpolitik und dem Engagement der Gemeindeverwaltungen ab, den Umweltverbund zu fördern.



Ein gutes Beispiel hierfür ist unsere Bundeshauptstadt Berlin. Nachdem die Initiative Volksentscheid Fahrrad in Berlin über 100000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt hatte, kam es zu Verhandlungen mit der Berliner Regierung und statt der Abstimmung zum Volksbegehren wurde 2018 das Berliner Radgesetz verabschiedet7, in dem wichtige Forderung des Volksentscheides aufgenommen wurden.
Mit dem Regierungswechsel 2023 kam es zu einer Veränderung der politischen Koalition in Berlin. Die neue Verkehrssenatorin hat erst einmal alle Radverkehrs-Ausbauprojekte gestoppt8 und so gibt es trotz gültigem Radgesetz in Berlin eine erhebliche Verzögerung beim Bau von neuen Radwegen.
Auch in Bayern finden sich viele Beispiele dafür, dass die Förderung des umweltfreundlichen Radverkehrs nicht nur von den gesetzlichen Vorgaben abhängt, sondern insbesondere vom Willen der Kommunalpolitiker, ihre Städte und Gemeinden lebenswerter und fahrradfreundlicher zumachen.
Neumarkt ist da ein gutes Beispiel. Obwohl es seit über 12 Jahren Mitglied der AGFK ist, erfüllt es trotz Zertifizierung 2019 bisher nicht einmal die Mindestanforderungen für später neu aufgenommene Kommunen. Bisher gibt es in der Radverkehrsförderung mehr Absichten als Taten. Und auch beim ÖPNV bleibt Neumarkt hinter seinen Ansprüchen zurück. Hierzu demnächst mehr in einem gesonderten Beitrag.
Ich weiß nicht, ob mit dem neune Straßenverkerhsgesetz und der neuen StVO die Straßenverkehrsbehörde in Neumarkt auf der Bahnhofstraße Tempo 30 auch ohne die Begründung durch Straßenschäden hätte anordnen dürfen.
Natürlich kostet ein gutes Radverkehrsnetz und ein guter ÖPNV viel Geld. Und die Geldquellen sind selbst in Neumarkt nicht unerschöpflich. Die Kommunalpolitik sollte dann aber auch ehrlich sein und sagen, wieviel Geld sie ausgeben oder nicht ausgeben will. Es nicht immer der Bund oder das Land, die für die Verkehrssituation in Neumarkt verantwortlich sind.
Der immer wieder gehörte Hinweis, wegen der ländliche Lage unserer Stadt oder den Interessen der lokalen Geschäftsleute sei der motorisierte Individualverkehr (MIV) alternativlos, ist nicht stichhaltig und keine Entschuldigung, die Situation für den Umweltverbund (Fußverkehr-Radverkehr-ÖPNV) nicht mit allen Mitteln zu verbessern. Das muss nicht  zu Lasten des MIV gehen. Gewisse Einschränkungen (nicht Verbote) für den MIV sind zur Klimaanpassung, attraktiven Innenstadtgestaltung und Reduktion der Unfallzahlen allerdings nötig. Der MIV sollte nicht mehr an der Spitze der örtlichen Verkehrspolitik stehen.


Quellen:1  https://radfahren-in-neumarkt.de/radverkehrspolitik-im-bund-2024 und https://radfahren-in-neumarkt.de/bayern-radentscheid-und-radgesetz

2 https://www.vermittlungsausschuss.de/SharedDocs/downloads/DE/va/20240612_Strassenverkehrsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=2

3 Plenarprotokoll der Bundesratssitzung vom 14.Juni 2024: https://www.bundesrat.de/plpr.html?id=2024-1045

4 Ministerpräsident Dr. Rainer Haselhoff am 14.6.2024: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/personen/DE/laender/st/haseloff-reiner.html?view=

5 z.B.: Verwaltungsgericht Augsburg 2021: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N-41303?hl=true

6  https://stadtrand-nachrichten.de/pankower-kiezblock-steglitz-zehlendorf/

7 Berliner Radgesetz

8 Senatorin stoppt Radwegeausbau: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2023/06/berlin-verkehr-radwege-ausbau-stopp.htm/listallcomments=on.html
9. August 2024




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